ÜBERSICHT
1. Vorbemerkung: Abgrenzung u. Eingrenzung des Themas
2. Der klassische Sektenbegriff
2.1 Beurteilungskriterien
2.2 Etymologische Herleitung des Wortes „Sekte“
3 Der säkulare umgangssprachliche Sektenbegriff
3.1 Die Rede von den „destructive cults“ in den USA
3.2 Der neue Sektenbegriff in Europa
3.3 Merkmale des Sektenbegriffs der Umgangssprache
3.4 Kritische Anfragen an diesen Sektenbegriff
4 Gründe und Ursachen für das Aufkommen und Aufblühen von Sekten
4.1 Für Sekten nach dem klassischen Sektenbegriff
4.2 Für Sekten nach dem säkularen umgangssprachlichen Begriff
1. Vorbemerkung: Abgrenzung u. Eingrenzung d. Themas
Keine ausführliche Darstellung der Positionen und Organisationsstrukturen und Inhalte der verschiedenen Sekten. Da müßte man mehrere dicke Bände schreiben. (Handbuch rel. Glaubensgemeinschaften zeigen)
Auch keine “ Schauermärchen“ über Sekten, die abschreckend wirken sollen.
Keine ausführliche soziologische und psychologische Analyse, warum Menschen in den Bannkreis von Sekten gezogen werden. Da gäbe es viel zu sagen und aufzulisten. Auch hier müßte man zwischen den sog. „Sekten“ differenzieren!
Gewiß wird hiervon auch immer wieder etwas durchschimmern.
Ich möchte vielmeh eine Orientierung auf dem mittlerweile bunten und vielfältigen Markt religiöser Anbieter darlegen, also eine Art „religiöse“ Landkarte, aus der ersichtlich wird, welche der vielen religiösen Gruppierungen als Sekte – und damit ist wohl indirekt die Ansicht, sie sei gefährlich!! – zu betrachten seien.
Ich möchte diese „Landkarte“ gleichsam mit zwei verschiedenen Maßstäben bzw. Ansichtsrastern erstellen.
Vorneweg muß ich allerdings betonen: die Trennschärfe zwischen Sekte und Nicht-Sekte in beiden Rastern ist häufig nicht allzu groß, d.h. daß manchmal ist eine Zuordnung bzw. eine Ettikierung einer Gruppe als Sekte nicht eindeutig vorzunehmen. So läßt sich beispielsweise auch unter Theologen treffliche darüber streiten, ob die Siebentags-Adventisten oder Neuapostolische Kirche Sekten sind.
2. Der klassische Sektenbegriff
2.1 Beurteilungskriterien
Grundlage der Beurteilung sind in diesem Sektenbegriff die Maßstäbe und Glaubensaussagen der großen Kirchen bzw. der großen Weltreligionen.
Eine Sekte ist eine Abweichung von den zentralen Glaubenswahrheiten der großen Kirchen bzw. von den als „normal“ bezeichneten Weltanschauungen.
Sekten im christlichen Bereich sind Gruppen, die in zentralen Punkten von der großkirchlichen Meinung abweichen, also z.B. von d. Lehre von der Trinität, von den altkirchlichen Bekenntnissen, von der Geltung der ganzen Bibel). Sekten in diesem Sinne gibt als freilich erst, seit das Christentum nach der sog. konstantinischen Wende 381 durch Kaiser Theodosius zur Staatsreligion gemacht wurde.
Ursprünglich war ja das Christentum selbst eine jüd. „Sekte“.
Sekten gibt es also in verschiedenen Weltreligionen und Kulturen. Eine Gruppe gilt dabei solange als Sekte, bis sie in der Gesellschaft bzw. der religiösen Kultur einer Gesellschaft eine solche Akzeptanz oder Größe erreicht hat, daß sie nicht mehr ausgegrenzt werden kann.
Ein Beispiel hierfür ist das Entstehen der Evangelischen Kirchen in der Reformation.
2.2 Etymologische Herleitung des Wortes „Sekte“
Zur Erklärung des klassischen Sektenbegriffs hilft eine etymologische Herleitung des deutschen Wortes „Sekte“. Dafür kommen zwei Möglichkeiten in Frage.
2.2.1 vom latein. Verb secari = abschneiden, abtrennen.
Sekten in diesem Sinn sind Gruppen, die sich von der herrschenden Glaubenslehre abgesetzt, abgetrennt haben, weil sie z.B. bestimmte Glaubenslehren und Dogmen ablehnen oder neue Dogmen für heilsnotwendig erachten.
Beispiele hierfür sind die Zeugen Jehovas, die die Lehre von der Dreieinigkeit bestreiten und die endzeitliche Schlacht von Harmageddon, wie sie biblisch nur an einer Stelle der Johannesoffenbarung beschrieben ist, überbewerten. Oder die neuapostolische Kirche mit der überragenden Autorität des sog. Stammapostels, der allein für die Heilsvermittlung zuständig ist.
2.2.2 man kann das Wort Sekte vom latein. Verb sequi = jmd. folgen, nachfolgen, einer Person und bzw. oder einer neuen Lehre.
Ein Beispiel hierfür ist z.B. die Mun-Sekte, die sich „Vereinigungskirche“ nennt. Deren Gründer, der Koreaner San Myung Mun, wird hier als neuer Messias geglaubt und verehrt. Er verheiratet in großangelegten Massenhochzeiten die Menschen miteinander. Sie haben sich seiner Wahl zu fügen. Mun will außerdem das unvollendet gebliebene Werk Jesu fortsetzen und vollenden.
Auch diese etymologischen Herleitungen zeigen wiederum deutlich: Kriterium dafür, daß eine Gruppe als Sekte betrachtet wird, ist der Tatbestand, daß die Lehre dieser Gruppe in wesentlichen Grundzügen den Glaubensaussagen, die die christlichen Großkirchen gemeinsam haben, widerspricht.
2.2.3 Landeskirchliche Gemeinschaften, Freikirchen und Sekten
Von Sekten zu unterscheiden sind innerkirchliche Gruppen, z.B. in d. ev. Kirche die pietistischen Gemeinschaften, also Altpietisten, Hahnsche Gemeinschaft, Süddeutsche Gemeinschaft, Pregizer Gemeinschaft, die sog. „Stundenleute“
Von Sekten abzusetzen sind auch die sog. Freikirchen. Sie bestreiten nicht die Grundaussagen des Christentums, sondern praktizieren nur andere Ausprägungen des Christentums, wie z.B.andere geistliche Formen, Frömmigkeitsstiel und Organisationsstrukturen. Man vergleiche dazu die zigfachen Denominationen in USA, Freikirchen Methodisten1, Baptisten2, usw.
Freilich sind die Übergänge zu Sekten bei neuentstehenden Freikirchen fließend!!
Besonders im Bereich der sog. Charismatischen Bewegung ist dies der Fall. In charismatischen Gruppierungen wird das Wirken des Heiligen Geistes und seiner Gaben, die den Gläubigen verliehen sind, sehr stark betont. Z.B. Zungenreden und Ekstase im Gottesdienst, Heilungen usw.
Unklar hinsichtlich der Beurteilung als Sekte ist z.B. die Aktion von Reinhard Bonnke, „Vom Plus zum Minus“, die letztes Jahr ein missionarisches Traktat unter demselben Titel in alle bundesdeutschen Haushalte verteilte. Ich würde diese Aktion als sektiererisch einstufen.
2.2.4 Bemerkung:
Dieser klassische Sektenbegriff wird auch im Rahmen d. Kirche heute kaum noch so angewandt! Der Begriff „Sekte“ wird kaum mehr verwendet. Man spricht statt dessen von „Religiösen Sondergemeinschaften“, oder „Jugendreligionen“ oder „Psychokulten“.
Den Kirchen geht nicht mehr darum, daß man bestimmte abweichende Meinungen und Gruppierungen aus einer scheinbaren Macht- und Mehrheitpostion heraus ausgrenzt und stigmatisiert. Die Großkirchen heute wollen nicht „Erbhöfe“ verteidigen, sondern argumentativ überzeugen und ihre Wahrheit bezeugen. Und dabei hilft Ausgrenzung oder Absprechen des Glaubens in der Regel nicht viel!
Zudem hat sich ja gesellschaftlich einiges geändert! Die Kirchen können kein Monopol mehr für Religion beanspruchen! Ein Kennzeichen der Postmoderne, in der wir leben, ist die religiöse Beliebigkeit. Schlagwort: Cafeteria-Religion bzw. Religiöser Supermarkt: Jeder und jede kann sich aus unterschiedlichen Religionen entsprechende Versatzstücke auswählen, die ihm bzw. ihr gerade passend erscheinen.
Was einer glaubt, welche religiöse Formen und welche Frömmigkeit er praktiziert oder nicht praktiziert, bleibt jedem selbst überlassen.
Wer bezeichnet denn z.B. die Neuapostolische Kirche in den Medien noch als Sekte? In Talkshows wird ganz selbstverständlich ein Vertreter der Zeugen Jehovas gleichberechtigt neben einen Vertreter der katholischen Kirche gesetzt und gar nicht selten von dem/der Moderatorin mit Sympathie bedacht gegenüber der ach so starren und sturen Haltung der Amtskirche!
Trotzdem wird immer noch von Sekten gesprochen!
3. Der säkulare umgangssprachliche Sektenbegriff
3.1 Die Rede von den „destructive cults“ in den USA
In den USA ist die Vorstellung von der Religionsfreiheit nicht nur verfassungsrechtlich verankert, sondern tief im Denken und Fühlen der Bevölkerung verbreitet. Es verbietet sich hier, eine religiöse Gruppe wegen ihrer religiösen Ideen und Ansichten abzuwerten.
Dennoch werden aus ethischen Gründen heraus bestimmte konfliktträchtige und problemträchtige religiöse Gruppen nicht wie alle anderen Religionsgemeinschaften – so exotisch sie auch sein mögen – als „denomination“, sondern als „destructive cults“ bezeichnet. Wie eine „Initialzündung“ wirkte hier der Massenselbstmord von 914 Mitgliedern der Sekte „Peoples Temple“ 1978 in Guayana. Unter den Opfern waren viele Kinder, die der Staat Kalifornien dem Peoples Temple als Pflegekinder überlassen hatte. Ein ähnlicher Ereignis war sicher auch das Drama von Waco, Texas, 1993, als beim Sturm der Festung der Davidianer-Festung sich die Sektierer unter Führung des David Koresh militärisch wehrten, schließlich jedoch im Flammentod umkamen.
Die Sonnentempler, die sich in den franz. Alpen vor Weihnachten selbst ermordeten, sind ein ähnliches extremes Beispiel auf europäischem Boden. Vielleicht auch die buddhisitsche AUM-Sekte in Japan.
Von Amerika schwappte über den Begriff „destructive cult“ ein neuer, säkularisierte Sektenbegriff nach Europa.
3.2 Der neue Sektenbegriff in Europa
Eine Gruppe als Sekte zu bezeichnen – z.B. in den Medien – bedeutet heute, sie eines sozialpathologischen Zustands zu bezichtigen. Totaliäre Machtstrukturen, kollektiver Realitätsverlust und ein inhumander Umgang mit Menschen stehen dabei im Vordergrund.
Dieser Bedeutungswechsel ist nicht nur eine Folge der Schreckensmeldungen in den Medien, er folgt aus der kulturellen Entwicklung: Öffentlich gültige Wahrheiten gibt es durch die fortschreitende Säkularisierung nicht mehr im weltanschaulichen und religiösen Bereich, sondern nur noch im ethischen Bereich. Auf Leitideen wie Menschenwürde, Freiheit, Selbstverwirklichung kann man sich mehrheitlich einigen, auf eine Gottesidee nicht mehr.
Religiöse und ideologische Gemeinchaften werden öffentlich kritisiert, wenn sie vom humanen Ethos der Gesellschaft abweichen, nicht mehr aufgrund inakzeptabler Weltanschauungen3. Sektierer sind diejenigen, die von den noch existierenden gemeinsamen Überzeugungen wie Menschwürde, Menschenrechte, Freiheit, Toleranz, Selbstentfaltung, Selbstverwirklichung usw. Abweichen.
Niemand würde etwa Scientology wegen ihrer Anschauung von Reinkarnation oder wegen ihres Glaubens an einen Thetan, d.h. einer unsterblichen geistigen Seele in jedem Menschen als Sekte bezeichnen. Entscheidend für die Bezeichnung „Sekte“ in diesem Zusammenhang sind die inhumanen und ausbeuterischen Praktiken dieser Gruppierung.
Wie jede Kultur leben wir mit dissidierenden Gruppen, die sich ablehnend zur Lebensorientierung der Mehrheit verhalten, und die dadurch Empörung und Widerstand hervorrufen. Gegen sie richtet sich der säkulare Sektenbegriff.
3.3 Merkmale des Sektenbegriffs der Umgangssprache4
Zu einer Sekte gehören:
- die Geschlossenheit der Gemeinschaft mit klaren Grenzen zwischen Anhängern und Außenstehenden, also eine starke Gruppenkohäsion (Bsp. Mun-Sekte mit ihren Trainings-Camps, ZJ mit ihren Schulungen, in die nur Mitglieder kommen dürfen)
- ein exklusives gedankliches System. Die eigene Ideenwelt gilt als Wahrheit schlechthin und schließt aus, daß anderswo Elemente von Wahrheit zu finden seien. Eigene „Fremdsprache“ mit „besetzter Sprache“, z.B. bei Scientology
In manchen Lebensbereichen kann ein Sektenmitglied nicht mehr zwischen der Realität an sich und der Gruppenlehre über die Realität unterscheiden. - Schwarz-Weiß-Struktur des Denkens, die Aussagen in absolut richtig und absolut falsch trennt
- Monopolanspruch auf Rettung, Erlösung oder Heil (Heilsbesitz für d. eigene Gruppe, z.B. Zeugen Jehovas oder Neuapostolische Kirche)
- ein weltanschaulich begründetes magisches Denken (vgl. Scientology mit ihren Clearings, Rundowns etc, oder Fiat Lux mit ihrern von Uriella mit Heilkraft versehenen Heilwässerchen)
- eine totalitäre Innenstrukutr der Gruppe mit „steiler Hierarchie“, z.B. Scientology, aber mittlerweile auch Neuapostolische Kirche
- eine ausgeprägte Gehorsamsbeziehung von oben nach unten
- Zugriff der Führung bzw. Der Gruppe auf die Gestaltung des Alltags bei den Anhängern
- Personenkult und damit oft verbunden Entpersönlichung der Anhänger (ohne ihn bin ich nichts! Bzw. Verheiratung durch Mun!)
- Flucht in die Märtyrer-Rolle (vgl. Scientology)
- psychische, finanzielle, berufliche und familiäre Abhängigkeit der Anhänger von der Gruppe bzw. Führung
- usw.
3.4 Kritische Anfragen an diesen Sektenbegriff
3.4.1
Kann man gegenüber Inhalten dieser Sekten „tolerant“ sein, sie einfach stehen lassen? Kann man „religiös“ total neutral sein, jedem seinen Glauben lassen?
Welche Werte haben Gültigkeit? Woher stammen sie?
3.4.2
Außerdem: Für den einzelnen ist es nach dem ethischen, säkularen Kriterium recht schwer, zunächst zu unterscheiden, ob er in eine Sekte kommt oder nicht. Die Ideen und die Atmosphäre in der Gruppe findet er wahrscheinlich toll. Daß dort autoritäre und totalitäre Strukturen herrschen, daß Ausbeutung, Geld und Kommerz dominierend sind, daß menschenverachtende Praktiken vollzogen werden und die Menschenwürde des einzelnen nichts gilt, zeigt sich ihm – wenn überhaupt! – erst dann, wenn er in der Sekte gefangen ist.
Frage: Müßten nicht inhaltliche Kritierien zur Prüfung solche Gruppen vorgenommen werden! Jedoch wie? Das Grundrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit sollte jedoch nicht antastet werden. Jedoch: Grundwerte westlicher Gesellschaften (samt ihren christlichen Wurzeln!) u. soweit nötig auch Grundlagen christlichen Glaubens sollten wieder vermehrt einzelnen nahegebracht und als sinnvoll und hilfreich einsichtig gemacht werden.
3.4.3
Schließlich: Könnte sich dieser säkulare Sektenbegriff nicht gar gegen die christliche Kirche richten? Zeugen Jehovas werden wegen ihrer Weigerung, Bluttransfusionen vornehmen zu lassen gesellschaftlich als Sekte angesehen. Weil diese medizinische Möglichkeit anerkannt und hilfreich ist. Was ist aber, wenn z.B. Abtreibung von Embryonen, um mit ihnen Parkinson-Kranken zu helfen, ober Forschung an Embryonen gesellschaftlich akzeptiert, weil anscheinend nur nützlich und hilfreich sind, und die christliche Kirche sind vom 5. Gebot her dagegen aussprechen muß? Oder wenn z.B. gesellschaftlich nur noch ein rein ökonomisches Denken anerkannt ist und Schwaches, Behindertes Leben deshalb zur Disposition gestellt wird?
4 Gründe und Ursachen für das Aufkommen und Aufblühen von Sekten
4.1 Für Sekten nach dem klassischen Sektenbegriff
„Sekten sind Insekten an den faulen Stellen der Kirche“. Sekten weisen also auf Defizite und Fehlentwicklungen in den großen Kirchen hin. Z.B. zu viel Dogmatik, Reden und wenig religiöse Erfahrung. Zu großer Apparat, eine zu große Institution, in der der einzelne nur noch eine anonyme Nummer ist nicht mehr überschaubarer Pluralismus. Was gilt eigentlich noch? usw. In den Großkirchen fehlen oft Geborgenheit, persönliche Nähe, eindeutige Stellungnahmen
4.2 Für Sekten nach dem säkularen umgangssprachlichen Begriff
„Sekten sind die Insekten an den faulen Stellen einer Gesellschaft“
Unsere heutige Gesellschaft ist gekennzeichnet durch eine zunehmende – ja fast schon beängstigende! -Individualisierung. Damit einhergeht eine Anonymisierung. Bergende und Halt spendende soziale Strukturen wie Familie oder Nachbarschaft sind kaum mehr zu finden. Wenn Sekten ihren Anhängern das Gefühl der Akzeptanz, der Geborgenheit und des Verankertseins in einer Gemeinschaft bieten, dann weisen sie exakt auf diese wunden Stellen unserer Gesellschaft hin und nutzen sie für ihre Zwecke aus.
Unsere Gesellschaft ist durch eine Pluralisierung gekennzeichnet. Jede beliebige Meinung ist erlaubt. Es gelten keine von allen akzeptierten und praktizierten Werte und Verhaltensmuster mehr. Was wundert da, wenn Menschen in sektiererische Gruppen flüchten, die klar sagen, was gut und böse ist, wie das Leben zu gestalten ist?
In unserer Gesellschaft herrscht ein kalter Rationalismus. Alles wird technisch, wissenschaftlich durchleuchtet. Gefühle und Emotionen müssen im öffentlichen Diskurs außen vor bleiben. Gefühle gelten als Schwäche bzw. Werden durch rationale Argumente niedergebügelt. Was wundert, wenn dann ein regelrechter Boom an Psycho-Kulten einsetzt, der das Gefühlsvakuum zu füllen versucht, nicht selten mit obskursten Methoden und sketiererischen Abhängigkeiten vom Guru bzw. Therapeuten oder Meditationsmeister?
Unsere Gesellschaft ist von einer totalen Ökonomisierung und Kommerzialisierung durchdrungen. Es zählt nur noch, was sich rechnet! Was wundert, wenn auf diesen Zug Gruppierungen aufspringen und diesen Trend exzessiv ausleben, wie z.B. Scientology: Make money, make more money, make others to make money for you!
„Sekten sind die Insekten an den faulen Stellen unserer Gesellschaft.“
Nicht zuletzt dort sollte Sektenprophylaxe einsetzen. Denn Vorbeugen ist immer besser als verbieten oder nachträglich den Schaden zu begrenzen versuchen.
Anmerkungen:
1 Methodisten: hervorgegangen aus einer studentischen Erneuerungsbewegung in Oxford unter der Leitung von John Wesley. Sie wollten den inneren Frieden Gottes durch Jesus Christus annehmen, in ihrer Frömmigkeit erfassen und ein gotgewolltes Leben führen. Beeinflußt wurde Wesley u.a. von der Herrnhuter Brüdergemeine. Wesley zog als Prediger durch die Lande. Die anglikanische Kirche versperrte ihm Kanzeln und so wurde er wider seinen Willen zum Gründer einer neuen christlichen Glaubensgemeinschaft. Ausbreitung mit den Auswanderern nach USA, von dort wieder zurück, u.a. auch nach Deutschland. „Nicht dogmatische Differenzen waren die Ursachen für die Entstehung des Methodismus, sondern das Verlangen nach Wiederbelebung des „alten Christentums“.“ (TRT 3 S.267f) Grundlage ist das anglikanische Glaubensbekenntnis, die CA sowie einige Artikel, die Wesley selbst verfaßt hat. Hl. Schrift als Grundlage, Erfahrungen d. Glaubens, persönl. Frömmigkeit und Heilsaneignung (vgl. Pietismus). In Dtld. Keine Kirchensteuer, sondern freiwillige Beträge. EmK versteht sich als Teil der einen Kirche Jesu Christi. Mittlerweile sogar Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit Ev. Landeskirche!
2 Baptisten: erste Baptistengemeinde 1607 in Amsterdam durch John Smyth, von dort nach England übergeschwappt, 1647 bereits 100.000 Mitglieder, obwohl engl. Staatskirche das Leben erschwerte. Natürlich mit den Aussiedlern auch nach Amerika gekommen. Mehrer Erweckungsbewegungen im 18. U. 19. Jhdt. Heute deshalb größte Verbreitung in USA rg. 27 Millionen Mitglieder. In Dtld. Ca. 60000-70000. Wichtige Punkte: Glaubenstaufe , Gemeindeleben nach d. Modell der Urgemeinde, Ortsgemeinden sind jeweils selbstständig, starke Schriftgebundenheit, oft fundamentalistisch
3 vgl. Hemminger, Zwischen Angst und Hysterie. Zum Umgang mit extremen Gemeinschaften, EvKomm 6/95 S.352