Entscheidungen in der Coronakrise. Was würde Dietrich Bonhoeffer dazu sagen?

Online-Seminar der Ev. Erwachsenenbildung im Landkreis Esslingen am 5.10.2020

Die Links führen zu den Ausführungen von Gerhard Kolb

Ablauf:

INHALTE von Gerhard Kolb

Hinführung:

In Coronazeiten sind fast täglich viele Entscheidungen zu treffen – privat, politisch, gesellschaftlich, in Vereinen, Firmen, Institution, Kirchen usw).

Solche Entscheidungen sollen überlegt und reflektiert getroffen und auch überprüft werden können. Es geht also darum, sich klar zu machen, wie ich als ein Handelnder/Entscheider zu meiner Entscheidung komme und welche Überlegungen dabei eine Rolle spielen, was gut bzw. böse oder schlecht ist.
Solches Nachdenken und solche Reflexionen werden in der Philosophie und Theologie unter dem Stichwort „Ethik“ vorgenommen. In der Ethik wird versucht, die Grundfrage von Immanuel Kant zu beantworten: „Was sollen wir tun?“. Natürlich gibt es in Philosophie und Theologie viele ethische Ansätze, Theorien und Reflexionen.

Wir wollen heute den ethischen Ansatz von Dietrich Bonhoeffer kennenlernen, ihn denkerisch nachvollziehen und versuchen, zu klären, ob und inwieweit seine Ethik für Entscheidungen in Coronazeiten hilfreich sein können.

Abfassungszeit von Bonhoeffers ethischem Ansatz

Buchtitel EthikEs gibt kein Buch „Ethik“, das Bonhoeffer verfasst hätte mit einem klaren Aufbau, klarer Struktur und klaren Aussagen zu ethischen Problemstellungen.
Das mir vorliegende Buch „Ethik“ wurde 1981 von Eberhard Bethge herausgegeben und ist eine „Zusammenstellung der geretteten Abschnitte, die abgeschlossen und unabgeschlossen … als vorbereitendes Material für das (von Bonhoeffer!) geplante Werk einer Ethik aufgeschrieben waren. Im Herbst 1940 hatte Bonhoeffer dazu eine Dispositionsskizze aufgeschrieben. Die wesentlichen heute vorliegenden Stücke und Vorarbeiten dazu entstanden zwischen 1940 und 1943.
Am 18. November 1943 schrieb Bonhoeffer aus dem Tegeler Gefängnis an Bethge: „Persönlich machte ich mir Vorwürfe, die Ethik nicht abgeschlossen zu haben (z.T. ist sie wohl beschlagnahmt) und es tröstete mich etwas, dass ich das Wesentliche Dir gesagt hatte.“

 

 

Das Problem der Freiheit

Ethisches Handeln setzt Freiheit voraus, d.h. der Handelnde hat die Freiheit, sich für oder gegen etwas zu entscheiden. Wir wollen einmal die Grundsatzfrage und die Diskussion darüber, ob es überhaupt so etwas wie einen freien Willen gibt weglassen.

Es ist allerdings wichtig, sich klar zu machen: Es gibt keine „absolute, unbedingte“ Freiheit. Freiheit ist stets mit Bindung verbunden – an Werte, an Normen, an den eigenen Vorteil, am Gemeinnutzen etc.            
Sei es nur an das eigene „Ich“, den „eigenen Willen“ oder „die eigenen Bedürfnisse“.
„Ich bin so frei!“ sagen wir beispielsweise, d.h. ich nehme mir die Freiheit, entscheide und bin dann allein vor mir verantwortlich.
Freiheit realisiert sich in Verantwortung gegenüber dem, an das ich gebunden bin bzw. an das ich mich gebunden habe, das mir die Freiheit gewährt.

 

Nach Bonhoeffer erwächst Freiheit aus der Bindung an Gott und den Nächsten und korrespondiert mit verantwortlichem Handeln.

„Verantwortung ist die in der Bindung an Gott und den Nächsten allein gegebene Freiheit der Menschen.
Ohne Rückendeckung durch Menschen, Umstände oder Prinzipien, aber unter Berücksichtigung aller gegebenen menschlichen, allgemeinen, prinzipiellen Verhältnisse handelt der Verantwortliche in der Freiheit des eigenen Selbst. Die Tatsache, dass nichts für ihn eintreten, ihn entlasten kann als seine Tat und er selbst, ist der Beweis seiner Freiheit. Er selbst muss beobachten, urteilen, abwägen, sich entschließen, handeln. Aber weder die Reinheit der Motivierung, die Gunst der Verhältnisse, noch der Wert, noch die Sinnhaftigkeit eines beabsichtigten Handelns können zum Gesetz des Handelns werden, auf das er sich zurückziehen und berufen dürfte, durch das er entschuldigt oder freigesprochen werden könnte. Er wäre ja dann nicht mehr wahrhaft frei.“[1]

Ich verstehe das so:

Der Mensch steht in einer Beziehung zu Gott und zu den Menschen. In dieser Beziehungskonstellation ist sein Handeln angesiedelt. Seine Freiheit zeigt sich darin, dass er sein Handeln nicht von allgemein vorgegebenen Maßstäben oder zwingenden Umständen oder durch die Motivation, ein „reines Gewissen zu haben“, bestimmen lässt.

Also nicht: Ich muss die 10 Gebote auf jeden Fall unbedingt einzuhalten, z.B. „nicht zu lügen“[2]. Auch nicht: Angesichts dieser Sachzwänge, kann ich gar nicht anders handeln!“ und erst recht nicht: „Wichtig ist, dass ich mit einem reinen Gewissen oder gar ohne Schuld nach einer Tat dastehe!“

Im Falle solcher „Motivationen“ oder „Rückendeckungen“, wie es Bonhoeffer nennt, wäre der Mensch „fremdbestimmt“, also nicht frei.

Freiheit des eigenen Selbst gewinnt der Mensch, indem er sich der Verantwortung vor Gott und den Menschen „aussetzt“ und sein Leben in dieser „doppelten Bindung“ an Gott und den Menschen verantwortet.

Wie sieht nun solche „Verantwortungsethik“ bei Bonhoeffer aus?

Gesinnungs- und Verantwortungsethik

In Diskussionen über ethische und politische Fragen wird häufig mit den Begriffen des Soziologen Max Weber ein (falscher?) Gegensatz zwischen einer sogenannten „Gesinnungsethik“ und einer „Verantwortungsethik“ konstruiert.

Vertreter einer „Gesinnungsethik“ lassen nach Max Weber eine Tat nur dann als moralisch gut gelten, wenn dabei die Prinzipien einer reinen Gesinnung umgesetzt werden. Z.B. müssen demnach die Ausführungen der Bergpredigt Jesu direkt befolgt und umgesetzt werden.
Vertreter einer „Verantwortungsethik“ beziehen dagegen stets die Folgen einer Tat für andere in die Überlegungen mit ein. Sie setzen deshalb ethische Prinzipien nicht direkt in Handlungen um, wenn diese den Erfolg des intendierten Ziels verhindern oder gar das Gegenteil bewirken.

Zitat Max Weber:

„Wir müssen uns klarmachen, dass alles ethisch orientierte Handeln unter zwei voneinander grundverschiedenen, unaustragbar gegensätzlichen Maximen stehen kann: es kann ‚gesinnungsethisch‘ oder ‚verantwortungsethisch‘ orientiert sein. Nicht dass Gesinnungsethik mit Verantwortungslosigkeit und Verantwortungsethik mit Gesinnungslosigkeit identisch wäre. Davon ist natürlich keine Rede. Aber es ist ein abgrundtiefer Gegensatz, ob man unter der gesinnungsethischen Maxime handelt – religiös geredet: ‚Der Christ tut recht und stellt den Erfolg Gott anheim‘ – oder unter der verantwortungsethischen: daß man für die (voraussehbaren) Folgen seines Handelns aufzukommen hat.“ [3][

 

 

Verantwortungsethik von Dietrich Bonhoeffer

Bonhoeffers Verantwortungsethik geht über Max Weber hinaus. Für Max Weber besteht Verantwortung darin, dass eine Handlung möglichst zielführend und erfolgreich zu sein hat, d.h. die (positiven oder negativen – was auch immer unter dieses Kriterium fällt!) Folgen im Blick sein müssen.

Erfolg und Folgen stehen bei Bonhoeffer unter dem Verdikt endgültige, prinzipiellen Kriterien zu sein.  Sie können und dürfen nicht entscheidend und bestimmend für ethisches Handeln sein. Als Antwort auf die Frage, was als richtiges (gutes) und was falsches (schlechtes, böses) Handeln angesehen wird und somit verantwortlich genannt werden kann, sind sie nur bedingt und eingeschränkt wichtig.[4]

Was versteht Bonhoeffer unter „verantwortlichem Handeln“?

„Dieses Leben als Antwort auf das Leben Jesu Christi … nennen wir „Verantwortung“.
Verantwortung ist nicht nur eine Einstellung, eine Einschätzung, eine Abwägung, sondern umfasst das „Leben“, ganzheitlich könnte man vielleicht sagen.
Und Verantwortung als „Leben“ ist Antwort auf etwas vorgegebenes, und zwar etwas Umfassendes, eine vorgegebene Wirklichkeit. Verantwortung ist „Lebens-Antwort“.

Deshalb formuliert Bonhoeffer weiter:

„In diesem Begriff [der Verantwortung] ist die zusammengefasste Ganzheit und Einheit der Antwort auf die uns in Jesus Christus gegebene Wirklichkeit gemeint im Unterschied zu Teilantworten, die er [der Begriff Verantwortung] zum Beispiel aus der Erwägung der Nützlichkeit, aus bestimmten Prinzipien heraus geben könnte. … Verantwortung bedeutet daher, dass die Ganzheit des Lebens eingesetzt wird…
Wir geben dabei dem Begriff der Verantwortung eine Fülle, die ihm im alltäglichen Sprachgebrauch nicht zukommt, selbst dort nicht, wo er eine ethisch höchst qualifizierte Größe geworden ist, wie etwa bei Bismarck oder Max Weber“

Sie merken: Diese Sätze enthalten den theologischen und wenn sie so wollen, den christlichen Ansatz von Bonhoeffers Ethik. Sie fußt auf christlichen Glaubenssätzen bzw. dogmatischen Grundannahmen mit direktem Bezug auf Jesus Christus. Theologen sprechen hier von „Christuszentrierung“

Bonhoeffer sagt: Die Wirklichkeit ist in Jesus Christus gegeben – Jesus ist „der Wirkliche“, nämlich der menschgewordene Gott. (S. 243)

Das ist der Ausgangspunkt und Kernpunkt aller Überlegungen Bonhoeffers und seiner Ethik. Wirklichkeit ist bei Bonhoeffer also nicht auf das Faktische, Gegebene begrenzt, sondern umfassend gedacht.
Verantwortliches Handeln orientiert sich nicht nur am Faktischen, sondern ist Antwort, Lebens-Antwort auf die in Jesus Christus gegebene Wirklichkeit.

Verantwortliches, wirklichkeitsgemäßes Handeln lässt „niemals aus dem Auge…, dass die Welt in Jesus Christus von Gott geliebt, gerichtet und versöhnt ist.“[5]. „In der Menschwerdung erkennen wir die Liebe Gottes zu seiner Kreatur, in der Kreuzigung das Gericht Gottes über alles Fleisch, in der Auferstehung den Willen Gottes zu einer neuen Welt“ [6]

Bonhoeffer sieht also den Menschen als (geliebtes) Geschöpf Gottes, als (gerichteter) Sünder („Fleisch“) und als mit Gott versöhntes Wesen und die Welt in jeweiliger Entsprechung: Welt als Schöpfung Gottes, Welt unter der Sünde und mit Gott durch Jesus Christus versöhnte Welt.

Das hat Auswirkungen auf die Gewichtung und den Umgang mit dem „Faktischen“ im verantwortlichen Handeln. [7].

Das „Faktische“ verliert den Charakter des Normativen.
Sätze wie „Wir müssen so handeln, weil die Welt nun mal so ist, wie sie ist,
weil die Zahlen es so hergeben,
weil es erwiesen ist,
weil uns die Geschichte gelehrt hat usw.“
– solche Sätze würde Bonhoeffer als „Servilität [Unterwürfigkeit] gegenüber dem Faktischen“ ansehen. Sie sind seiner Meinung nach nicht wirklichkeitsgemäß, denn das Faktische kann unter einem „göttlichen Nein“ stehen, Ausprägung der Sünde, also gottwidrig und unmenschlich sein.

Andererseits darf christusgemäßes verantwortliches Handeln aber das Faktische nicht außer Acht lassen oder übergehen.
Wer das „Faktische“ und die Welt nur unter dem göttlichen „Nein“ sieht, also als Ausprägung der Sünde, zieht sich entweder aus der Gestaltung dieser „bösen“ Welt zurück und lässt sie zugrunde gehen
oder er versucht sie schwärmerisch anhand „einer höheren idealen Wirklichkeit“ ggf. mit Gewalt umzugestalten bzw. ihr mit prinzipiellem Widerstand zu begegnen.

Nach Bonhoeffer kann sich der verantwortlich christusgemäß Handelnde niemals aus der Welt heraushalten und das Faktische übergehen. Also keine Weltflucht oder Weltverdammung. Im Gegenteil:

„Weil es nicht um die Durchführung irgendeines grenzenlosen Prinzips geht, darum muss in der gegebenen Situation beobachtet, abgewogen, gewertet, entschieden werden, alles in der Begrenzung menschlicher Erkenntnis überhaupt. Es muss der Blick in die Zukunft gewagt, es müssen die Folgen des Handelns ernstlich bedacht werden, ebenso wie eine Prüfung der eigenen Motive, des eigenen Herzens versucht werden muss. Nicht die Welt aus den Angeln heben, sondern an gegebenem Ort das im Blick auf die Wirklichkeit Notwendige zu tun, kann die Aufgabe sein.“[8]

Die in Jesus Christus gegebene Wirklichkeit relativiert das „Faktische“, also die Welt, wie Menschen sie wahr-nehmen. Sie nimmt dem Faktischen und der Welt aber nicht ihre Bedeutsamkeit.[9]

Der Blick auf die Christuswirklichkeit sieht die Welt unter dem Vorzeichen der mit Gott versöhnten Welt.

Der verantwortlich Handelnde hat die Welt als die in Jesus Christus mit Gott versöhnte Welt zu gestalten
1940 notierte Bonhoeffer folgenden möglichen Titel für seine Ethik „Grundlagen und Aufbau der mit Gott versöhnten Welt“.

Das Ganze wäre nun falsch verstanden, wenn die Versöhnung mit Gott als ein Grundprinzip jeglichen Handelns angesehen würde und Versöhnung sozusagen zum obersten Grundsatz des verantwortlich Handelnden gemacht würde, an dem er sich orientieren müsste und woraus er dann das Gute oder Böse abzuleiten in der Lage wäre.
Die Gestaltung der Welt als mit Gott versöhnte Welt ist dem verantwortlich Handelnden stets neu aufgegeben, er „hat“ sie nicht, er kann und muss sie auch nicht verwirklichen, sondern sich stets neu als Aufgabe stellen und schenken lassen, eine Aufgabe, die Antwort auf das Leben Jesu Christi gibt.[10]

„Was ‚christlich‘ und was ‚weltlich‘ ist, steht nun nicht mehr von vornherein fest, sondern beides wird in seiner Besonderheit und in seiner Einheit erst in der konkreten Verantwortung des Handelns aus der in Jesus Christus geschehenen Versöhnung erkannt[11]

Ein Weiteres folgt daraus:
Der verantwortlich Handelnde kann sich nicht mit seinem Handeln und durch seine Tat selbst rechtfertigen, da er ihm ja kein Handlungsprinzip vorgegeben ist. Er „wagt“ Verantwortung in der Bindung an Gott und den Menschen.
Zu diesem Wagnis gehört auch, dass er sich der Schuld nicht entziehen will, sondern zur Schuldübernahme bereit ist. [12]

„Das letzte Nichtwissen des eigenen Guten und Bösen und damit das Angewiesensein auf Gnade gehört wesentlich zum verantwortlich geschichtlichen Handeln“…. Der Verantwortliche legt sein Handeln in die Hände Gottes und lebt von Gottes Gnade und Gunst“[13]

 

Verantwortliches Handeln und Gestaltung der Welt als der mit Gott versöhnten Welt erfolgt nach Bonhoeffer in den vier „Mandaten“: Ehe und Familie, Arbeit und Beruf, Kirche, Obrigkeit. Diese Mandate sind gottgegeben, also Beauftragungen. Bonhoeffer vermeidet hier den Begriff „Ordnung“. Denn göttliche Ordnungen gelten allgemein als bedingungslos gültig. Mandate hingegen entspringen einem göttlichen Auftrag, haben diesem zu entsprechen, können diesen auch verfehlen.
In allen vier hat jeder Mensch verantwortlich zu handeln, ob er nun „oben“ oder „unten“ in der Hierarchie eines Mandates steht. „Gott hat die Menschen alle unter diese Mandate gestellt, nicht nur jeden einzelnen unter je eines derselben, sondern alle Menschen unter alle vier.“[14]. Dieser Teil der Ethik Bonhoeffers blieb Fragment.

 

Video mit Kurzzusammenfassung durch Wolfgang Huber https://www.youtube.com/watch?v=fhvv_IaPwaw

 


[1] S. 264

[2] Hier ev. der Hinweis auf Bonhoeffers Ausführungen „Was heißt die Wahrheit sagen?“ (S. 384ff) und dort das Beispiel von I. Kant (Verbrecher, der Freund töten will, der sich in seinem Haus aufhält!) bzw. des Schülers, der von Lehrer gefragt wird, ob sein Vater oft betrunken nach Haus kommt. (L bricht in den Schutzraum der Familie ein! >> wenn Kind „nein“ sagt, sagt es eigentlich die Wahrheit, denn der L darf nicht in die Familiensphäre einbrechen!)

[3] Max Weber: Politik als Beruf, in: Gesammelte Politische Schriften, hrsg. von J. Winckelmann, 5. Auflage Mohr Siebeck, Tübingen 1988, 551-552

[4]  In „Nach 10 Jahren schreibt Bonhoeffer über den „Erfolg“ (Widerstand und Ergebung S. 15f
Es ist eben doch so, dass der geschichtliche Erfolg den Boden schafft auf dem weiterhin allein gelebt werden kann
Der Erfolg macht schließlich die Geschichte und über den Kopf der Geschichte machenden Männer hinweg schafft der Lenker der Geschichte immer wieder aus Bösem Gutes.
Weder beleidigte Kritiker noch Opportunisten wollen und dürfen wir sein, sondern an der geschichtlichen Gestaltung – von Fall zu Fall und in jedem Augenblick, als Sieger oder als Unterlegene-  Mitverantwortliche. Wer sich durch nichts, was  geschieht, die Mitverantwortung für den Gang der Geschichte abnehmen lässt, weil er sie sich von Gott auferlegt weiß, der wird jenseits von unfruchtbarer Kritik und von ebenso unfruchtbaren Optimismus ein fruchtbares Verhältnis zu den geschichtlichen Ereignissen finden- Die letzte verantwortliche Frage ist nicht, wie ich mich heroisch aus der Affäre ziehe, sondern wie eine kommende Generation weiterleben kann.

[5] S. 245

[6] S. 139 im Rahmen der Abhandlung über die „letzten und die vorletzten Dinge“

[7] „Alles Faktische erfährt von dem Wirklichen, dessen Name Jesus Christus heißt, seine letzte Begründung und seine letzte Aufhebung, seine Rechtfertigung und seinen letzten Widerspruch, sein letztes Ja und sein letztes Nein. Die Wirklichkeit ohne den Wirklichen verstehen zu vollen, bedeutet in einer Abstraktion leben, der der Verantwortliche niemals verfallen darf, bedeutet endloses Schwanken zwischen den Extremen der Servilität und der Auflehnung gegenüber dem Faktischen.“ (S. 243)

[8] S. 248

[9] S. 245 „Wirklichkeitsgemäß ist das christusgemäße Handeln, weil es die Welt Welt sein lässt, weil es mit der Welt als Welt rechnet …“
S. 247 „Die „Welt“ ist so der uns in und durch Jesus Christus gegebene Bereich der konkreten Verantwortung, nicht aber irgendein allgemeiner Begriff, aus dem sich eine eigene Systematik herleiten ließe“

[10] „Wirklichkeitsgemäß steht nicht der der Welt gegenüber, der in ihr ein an sich seiendes Gutes oder Böses oder aus Gut und Böse gemischtes Prinzip sieht und dementsprechend handelt, sondern der in begrenzter Verantwortung lebend und handelnd sich das Wesen der Welt jeweils neu aufschließen lässt.“ S. 247 unten

[11] S. 247 oben

[12] „Wer sich in der Verantwortung der Schuld entziehen will, … stellt seine persönliche Unschuld über die Verantwortung für die Menschen, und er ist blind für die heillosere Schuld, die er gerade damit auf sich lädt“ (S. 256) . Indem sich Bonhoeffer im Widerstand engagierte und Mitwisser (wenn auch nicht Mitplaner oder Mittäter) am Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 war, übernahm er Schuld. Den „Tyrannenmord“ hielt und hält er – wenn auch verantwortlichem Handeln entspringend – für schuldiges Handeln.

[13] S. 249

[14] S.220