ÜBERSICHT
1 Wortassoziationskette
2 Was ist der Heilige Geist?
2.1 Unsere Probleme mit dem Heiligen Geist
2.2 Persönliches Erlebnis als Zugang
2.3 Der Heilige Geist: Gott in Aktion
3 Wie wirkt der Heilige Geist – von den Aktionen Gottes
3.1 Der Heilige Geist – Gott in Aktion als schöpferische Kraft
3.2 Der Heilige Geist – Gott in Aktion als Geist Jesu
3.3 Der Heilige Geist – Gott in Aktion in der Menschen: Charismen und Charismatiker
3.4 Der Heilige Geist als eine Person der Dreieinigkeit
4 Spielerische Überleitung
5 Pfingsten
5.1 Apg 2, 1-13
5.2 Besinnliche Gedanken
5.3 H.D. Osenberg, Und sie wurden alle erfüllt vom Heiligen Geist
5.4 Gespräch

Abend im Treffpunkt junger Erwachsener und Familien
Neckarhausen 16. Mai 1997

1 Eine Wortassoziationskette als Einstieg

Ich möchte Sie alle zu Beginn zu einer kleinen spielerischen Einstimmung einladen.
Ich gebe Ihnen zwei Worte vor und Sie sagen spontan andere Worte (Eigenschaftsworte, Hauptworte, Verben), die ihnen im Zusammenhang mit diesen Worten einfallen.
Z.B. wenn ich „Schule“ sagen würde, könnten Sie sagen „Lehrer“, lernen, Klassenarbeiten, schlechte Erinnerungen usw. sagen.
Ich notiere die Worte und Begriffe auf einer Folie.
Also ich gebe Ihnen folgende zwei Worte vor – sie sind nicht ganz so leicht wie „Schule“. Sie müssen vielleicht ein wenig nachdenken.
Die Worte lauten: „WIND“ und „LUFT“
Teilnehmer rufen Worte zu:
Mögliche Sammlung:

Sturm, Orkan, leichte Brise, Windkraft, Energie, Tornado, laues Lüftchen, Aufwind, Thermik, unsichtbar, aber spürbar, Atem, Wetterumschwung, Atem, Segeln, Rückenwind, Gegenwind, Wirbelsturm, Bewegung ……

Was das alles mit dem Heiligen Geist – dem Thema unseres heutigen Abends zu tun hat erkläre ich Ihnen später. Doch nun direkt zum Thema.

2 Einleitung: Was ist der Heilige Geist?

2.1 Unsere Probleme mit dem Heiligen Geist

Was ist der Heilige Geist? Ein schwieriges Thema. In der traditionellen Kirche wird abgesehen vom Pfingstfest selten oder gar nicht von ihm geredet.

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Bei Geist Stichwort „Geist“ denken viele Menschen heute an „Geister“, „Gespenster“ und ähnliches. Neuzeitlichen aufgeklärten Menschen scheinen diese jedoch nicht mehr zuzumuten sein. Da bleibt oft nur ein Schmunzeln übrig bei der Erzählung vom Fritzchen. Dieser kommt wenige Tage vor Pfingsten aus der Schule. „Was habt ihr im Religionsunterricht behandelt?“ fragt die Mutter. „Der Pfarrer hat uns die Geschichte vom Heiligen Gespenst erzählt, “ antwortet Fritzchen. „War aber stinklangweilig! Im Fernsehen sind Gespensterfilme besser!“

Außerdem sind Verwechslungen keineswegs ausgeschlossen so wie in dieser Karikatur:(Folie zeigen) zu Pfingsten 1986, den Tagen nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl.

Außerdem gilt in unserer Zeit ja hauptsächlich materielle Dinge und Werte etwas. Vom „Geistigen“ wird bestenfalls eine große geistige Leistung eines Menschen noch bestaunt und bewundert. Alles andere wird in abwertendem Ton „schön-geistig“ genannt, ein Luxus oder gar eine Spinnerei, die man nicht unbedingt zum Leben braucht.

Was meinen also Christen, wenn sie im Apostolischen Glaubensbekenntnis im 3.Artikel bekennen: „Ich glaube an den Heiligen Geist!“?

2.2 Ein persönliches Erlebnis als Zugang

Ich möchte Ihnen zunächst erzählen, wann und wo mir hauptsächlich klar wurde, was Heiliger Geist bedeutet. Es war während meiner Studentenzeit. Ich war auf einen Schweigewochende, einer Meditationsfreizeit. Von Freitagabend bis Sonntagmittag durften wir Teilnehmer kein Wort miteinander sprechen. Ausnahme: Jemand brauchte angesichts der Stille seelsorgerlichen Rat oder wußte nicht mehr weiter. Dann durfte er zu einem der Brüder der Kommunität, die dies veranstaltete, kommen.

Diese Brüder hielten auch Einführungen zu Schweigemeditationen. An jedem der drei halben Tage wurde konnten wir Teilnehmer über eine Person der Dreieinigkeit nachdenken – also über Gott Vater, Gott Sohn und Gott, den Heiligen Geist.

Es war nach anfänglichen Schwierigkeiten ein schönes Gefühl beim Spazierengehen in der Natur oder in der Stille der Kapelle oder im Zimmer allein darüber zu meditieren. Bei Gott, dem Vater und Gott dem Sohn fiel mir dies auch nicht schwer.

Doch das ganze Wochenend schien bei mir zumindest daran zu scheitern, dass mir nichts zum Heiligen Geist in den Sinn kam. Ich verzweifelte fast in dieser Stillephase. So ging ich zu einem der Brüder und schilderte ihm meine Not mit dem Heiligen Geist.

Der stelle mir nur eine Frage: „Wissen Sie, warum Sie an diesem Wochenden hier sind?“

Nun ja, ich wußte nicht genau, was ich antworten sollte. Es war mein Entschluß gewesen, ich hatte Erwartungen und vielleicht auch das Bedürfnis, Gott ein wenig intensiver oder neu zu erleben.

Als ich ein wenig darüber erzählt hatte antwortet mir der Bruder: „Sie haben soeben vom Heiligen Geist erzählt. Er hat es bewirkt, dass Sie hier sind!“

Seither ist mir klar, was der Heilige Geist ist: Es ist die Wirkkraft Gottes – oder anders und verkürzt ausgedrückt: „Gott in Aktion“.

2.3 Der Heilige Geist: Gott in Aktion

Heiliger Geist – Gott in Aktion.

Vielfältig sind diese Aktionen Gottes. Anhand des Wortes „Geist“ lassen sich Bilder, Vergleiche und Wortspiele finden, die sie näher beschreiben.

Geist – im Hebräischen, der Sprache des Alten Testaments heißt dieses Wort „ruach“und im griechischen, der Sprache des Neuen Testaments, „pneuma“. Im Lateinischen, der Kirchensprache lautet es „spiritus“

Das hebräische wie das griechische Wort enthält in seiner Grundbedeutung „Wind“, „Luft“ und Atem.

Der Geist Gottes wirkt also wie Wind, Luft, Atem. Mit den Worten und Begriffen, die wir vorher gesammelt haben können wir also bildhaft etwas über den Geist Gottes aussagen. Ich werde sie im Folgenden hin und wieder bemühen.

Zunächst läßt sich auch mein Schlüsselerlebnis mit einem solchen Bild deuten:

Der Heilige Geist ist wie der Wind – manchmal unscheinbar wie ein laues Lüftchen – stets jedoch ist der Wind unsichtbar, aber in seiner Wirkung spürbar und erlebbar. Und oft geht es uns so wie beim Atmen: es ist so selbstverständlich, dass wir es gar nicht mehr wahrnehmen, vielleicht erst dann, wenn uns einmal die Puste wegbleibt oder wir – wie beim Schweigewochenende – uns ganz bewußt mit unserem Leib, unserer Seele und unserem Geist beschäftigen.

Und es ist häufig so, dass der Geist Gottes „in mit und unter“ menschlichen Handlungen, Taten und Werken seine Aktivität entfaltet.

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3 Wie wirkt der Heilige Geist? – Von den Aktionen Gottes

3.1 Der Heilige Geist – Gott in Aktion als schöpferische Kraft

Wenn ich einmal herumfragen würde, wo in der Bibel vom Heiligen Geist und vom Geist Gottes die Rede ist, dann würden viele wohl noch von Pfingsten reden, vielleicht noch von Marias Empfängnis durch den Heiligen Geist und weiter…?

Doch schon in den ersten Versen der Bibel, in beiden Erzählungen von der Schöpfung, ist von Gottes Geist die Rede.

1. Mose 1, 1f: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war ein Tohuwabohu. Und der Geist Gottes schwebte über den Wassern“

1. Mose 2, 7: „Da machte Gott der Herr den Menschen aus Errde vom Acker und blies ihm den Odem (= die ruach = den Geist) des Lebens in seine Nase“.

DerGeist Gottes ist hier mit Energie, Lebenskraft und Atem verbunden.

Ich möchte dazu eine Aussage von Jörg Zink (1)zitieren. Er schreibt:

„Mich hat schon als jungen Menschen die Schöpfungsgeschichte der Bibel seltsam berührt. Da las ich: ‚Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und Gott sprach … ‚ Vom ersten Tag an bis zum sechsten sprach er immer wieder. Und so entstand die Welt, das Universum. Seltsam: Gott ‚machte’die Welt nicht. Er sprach sie aus. Gott gab den Gedanken, es solle eine Welt sein, sprechend, atmend, aus sich heraus. Und er „blies seinen Geschöpfen seinen Atem ein“. Das Gegenüber zwischen Gott und seinen Geschöpfen ist also etwas wie ein stetes Atmen und Sprechen. Atmen und Antworten. Ich selbst also lebe in dem großen Rhythmus des Atems Gottes und bringe meinen kleinen Atem in das große Spiel ein. Leben und Tod, Schaffen und Wiedervernichten, das sind Atemzüge Gottes, ein Aushauchen und Einziehen seines Atems.

Am Anfang also, das hat mich immer überzeugt, war nicht der Zufall, nicht eine blinde Kraft. ‚ Der Geist Gottes brütete über dem Urmeer“ – sagt die Schöpfungsgeschichte. Am Anfang war also denkender, gestaltender, phantasievoller, liebender Geist. Und dieser Geist ist noch immer die geheimnisvolle, wirkende Kraft in allen Dingen.

Vielleicht müßten wir, ehe wir Pfingsten verstehen, erst einmal sehen, was Schöpfung ist und wie sie um unsö her geschieht. Es besteht kein Stein auf dieser Erde ohne Gottes Geist. Es wächst keine Baum ohne Gottes Geist. Es dreht sich kein Planet ohne Gottes Geist. Es formt sich kein Blatt ohne Gottes Geist. Es wächst aus dem Zerfall des Herbstes keine junge Pflanze ohne Gottes Geist.“

Soweit Jörg Zink.

Gottes Geist ist also in uns am Werk. Er zeigt sich uns, wenn wir über die Wunder der Schöpfung staunen, wenn wir erkennen, dass wir wunderbar gemacht sind. Wenn uns zutiefst das Gefühl erfüllt: Es ist schön und gut zu leben. Gott hat alles wunderbar gemacht. (2)

3.2 Der Heilige Geist – Gott in Aktion als Geist Jesu

Heiliger Geist – Gott in Aktion. Diese Aktion vollzieht sich nicht nur in der Schöpfung. Alle Christen glauben, dass Gott in dem Menschen Jesus von Nazareth gehandelt hat, den sie deshalb Messias und Sohn Gottes nennen.

In den ältesten Teilen der Evangelien wird von Jesu Taufe am Jordan durch Johannes den Täufer erzählt. Während dieser Taufe wird Jesus mit Gottes Geist begabt. „Er sah, dass sich der Himmel auftat und der Geist wie ein Taube herabkam auf ihn. Und da geschah eine Stimme vom Himmel: Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen“ (Mk 1,10+11). Das ist gleichsam die Berufungserzählung Jesu. In Jesu irdischem Wirken ist Gott am Werk – und zwar nicht wie bei vielen Glaubenshelden und Propheten vor ihm nur teilweise und bruchstückhaft, sondern total und umfassend. Gott selbst ist in ihm.

Spätere Erzähler der Jesusgeschichte erzählen deshalb davon, dass bereits vor Jesu Geburt Gott seine Hände im Spiel hatte, dass Gott dort schon in Aktion war. Der über die Ankündigung ihrer Schwangerschaft verwunderten Jungfrau Maria erklärt ein Engel: „Der heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden.“

Im Wirken Jesu entfaltet sich nun der Heilige Geist – das Wirken Gottes. In seinen mutmachenden Worten, in seinem Ruf zu Umkehr, in allen seinen Taten – seiner Zuwendung zu den Außenseitern, seinen Heilungen der Gebrechlichen und seiner Befreiung von Menschen, die von unheilvollen Mächten bessesen waren.

Als Jesus nach seiner Vollmacht, also nach der Beglaubigung für diese Taten gefragt wurde antwortete er: „Wenn ich durch den Finger Gottes – d.h. in der Kraft Gottes, in der Macht seines Geistes – die bösen Geister austreibe, so ist ja Gottes Reich zu euch gekommen.“ (Lk 11,20).

Noch ein weiterer Punkt ist wichtig: So wie sich Jesus immer dann der Menschenmenge entzog, wenn sie ihn für sich vereinnahmen wollte, so entzieht sich dieser Geist auch immer wieder. Den Wind kann man nicht einfangen. Man kann sich bestenfalls „in den Wind stellen“, die Windkraft nutzen – für die Gewinnung elektrischen Stroms oder beim Segeln.

„Der Wind bläst, wo er will und du hörst sein Sausen wohl.; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist“ (Joh 3,5) antwortet Jesus in einem mitternächtlichen Lehrgespräch dem Schriftgelehrten und Pharisäer Nikodemus.

Seit Jesu Wirken auf der Erde ist der Heilige Geist bzw. der Geist Gottes zugleich der Geist Christi – er wirkt im Sinne Jesu – ja er ist Jesus in Aktion.

An ihn denkt der Apostel Paulus, wenn er schreibt: „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt. Sondern der Geist selbst (d.h. er auferstandene und erhöhte Christus!) vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen.“ (Röm 8,26).

3.3 Der Heilige Geist – Gott in Aktion in den Menschen: Charismen und Charismatiker

Heiliger Geist – Gott in Aktion. Die Aktionen Gottes, des Vaters und Jesu Christi, seines Sohnes sind stets keine übernatürlichen Eingriffe. Sie verwirklichen sich an und durch Menschen.

Schon im Alten Testament ist von geistbegabten Menschen die Rede – etwa von den geistbegabten Richtern Simson (Ri 13,25) und Gideon (Ri 6,34), die in der Kraft Gottes Feinde besiegen. Sie waren charismatische Führergestalten für die Stämme Israels.

Christen – und zwar nach übereinstimmender Meinung des Neuen Testaments – alle Christen sind mit dem Heiligen Geist begabte Menschen. In ihrem Leben – nicht nur in ihren Gedanken oder ihrer Seele, nein in allen Lebensvollzügen – bis hin zum Essen, Trinken und zu Sexualität – soll Gottes Wirkkraft zum Ausdruck kommen können. „Wißt ihr nicht, dass Euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist?“ (1. Kor 6,19) – erinnert der Apostel Paulus die Korinther.

In und durch jeden Christen kann und will Gott in seiner Kraft wirken. Gott der Schöpfer hat jedem Gaben gegeben – Charismen, wie man es mit einem Fachwort nennt. Wir würden heute von Talenten, von Fähigkeiten sprechen. Jeder ist somit vom „Schöpfergeist“ erfüllt und kann etwas daraus machen – im Beruf, in der Familie, in Kunst und Musik, im Sport, in der christlichen Gemeinde.

An und durch Christen wirkt nicht nur der Geist Gottes des Schöpfers. Jeder Christ ist so von der Liebe zu Jesu erfüllt, dass er an ihn glaubt, wie er betet und handelt. Manche tun dies überschwenglich – sie sind heute vor allem in den Pfingstgemeinden und charismatischen Bewegung zu finden. Sie loben Gott in „Zungen“, für andere unverständliche Lall-Laute oder Gemurmel und rufen Halleluja. Sie heilen in der Kraft des Heiligen Geistes Kranke. Der Apostel Paulus spricht davon in 1. Kor 12, 7ff: „In einem jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller, dem einen wird durch den Geist gegeben, von der Weisheit zu reden; dem andern wird gegeben, von der Erkenntnis zu reden, nach demselben Geist; einem andern die Gabe, gesund zu machen, in dem einen Geist; einem andern die Kraft, Wunder zu tun; einem andern prophetische Rede; einem andern die Gabe, die Geister zu unterscheiden; einem andern mancherlei Zungenrede; einem andern die Gabe, sie auszulegen. Dies alle aber wirkt derselbe eine Geist unt teilt einem jedem das Seine zu, wie er will.“

Doch die wichtigste Gabe ist nach Paulus die Liebe. Nach ihr sollen alle streben. (1. Kor 12,31+13,1ff). Die wichtigste Ausprägung des Geistes Christi ist somit die Liebe.

Manchmal vergessen die charismatischen Christen dies und überheben sich über andere. Sie meinen, den „Heiligen Geist“ zu besitzen, ja mit ihm schon in irgendwelche himmlischen Sphären versetzt zu sein – kein Wunder, wenn anscheinend solch‘ großartigen Ereignisse sich bei ihnen abspielen.

Der Apostel Paulus mahnt uns da zur Nüchternheit und zu bodenständigem Realismus. Er sagt: „Wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes. Wir sind zwar gerettet, doch nur auf Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht?“(Röm 8,23f).

Darf ich ein letztes Mal zur Verdeutlichung unseren „Wortbilderbogen“ heranziehen.

Der Geist ist wie ein Wind. Ein Wind kommt stets auf, wenn eine Differenz zwischen warmen und kalten Luftmassen zu überbrücken ist. So entsteht je nach Lage der Dinge ein kalter oder ein warmer Wind.

Der Geist Gottes – dieser Gotteswind – kündigt das „warme Wetter“, das Reich Gottes an, ja bringt es schon in Ansätzen mit sich. Er versucht die Kaltluft – all‘ das Böse und Schlechte in unserer Welt zu vertreiben. Insofern Christen diesen Geist, diesen Wind Gottes spüren, macht er ihnen Mut, das Reich Gottes zu erwarten und daran zu bauen. Sie bekommen „Rückenwind“, „Wind in die Segel“ und werden beflügelt für den Dienst an Jesu Sache. Sie sind frei. „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit!“ Und wenn ihnen dann auch hin und wieder der kalte Wind des Alltags um die Ohren pfeift, dann dürfen sie den trotzdem noch auf den Wind des Geistes Gottes, der ihnen gegeben ist, vertrauen und sich bei Gott geborgen wissen: „Gott hat den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater.“ (Gal 4,6).

3.4 Der Heilige Geist als eine Person der Dreieinigkeit

Als zwei Jahrhundert nach Jesu Erdenleben die christliche Kirche sich anschickte, Staatsreligion im römischen Reich zu werden, sah man sich genötigt, den christlichen Glauben kurz und prägnant zu formulieren.

Man mußte nun sagen, wie Gott, der Schöpfer, Jesus der Versöhner, Erlöser und Befreier zusammengehören und wie sie gegenwärtig wirksam sind. Es mußte gleichsam die „Essenz“, das Wesentliche der gesamten biblischen Botschaft in kurzen Formel zusammengefaßt werden. Das erfolgte in der Sprache und in den Denkstrukturen der damaligen Zeit – also nicht technisch-wissenschaftlich oder psychologisch, wie es vielleicht bei uns heute Mode wäre, sondern auf dem Hintergrund der griechischen Philosophie. Deshalb sind diese Glaubensformeln für uns heute so schwer verständlich.

Es entstanden so die zwei großen ökumenischen Bekenntnisse, das Apostolische Glaubensbekenntnis, das wir in ev. Gottesdiensten öfter sprechen und das sog. Nicänische Glaubensbekenntnis. Wir finden es im neuen evangelischen Gesangbuch unter Nr. 687.

In beiden Bekenntnissen wird der Glaube in der Formel der Dreieinigkeit gefaßt. Im Nicänischen Glaubensbekenntnis können wir noch etwas vom Ringen um die Formulierungen feststellen.

Zunächst war umstritten, wer denn Jesus sei: Ein Geschöpf Gottes – zwar besonders und hervorgehoben aus allen anderen und insofern göttlich – oder wie Gott – wesensgleich mit Gott.

Dieser Streit wurde auf Veranlassung Kaiser Konstantins 325 auf dem Konzil in Nicäa mit der Formel beendet: Gott der Vater und Gott der Sohn seien wesenseins. „Wir glauben …an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater“.

Über den Heiligen Geist hatte es nur geheißen: „Wir glauben an den Heiligen Geist“.

Knapp 60 Jahre später wurde dieses Bekenntnis auf der Synode von Konstantinopel 381 in dieser Hinsicht noch verändert.

„In den Jahrzehnten zwischen dem ersten und dem zweiten Ökumenischen Konzil war nun die Frage bedacht worden, wie sich der Heilige Geist zur Gottheit des Vaters und des Sohnes verhalte. Ist der Heilige Geist selbst Gott und damit mit dem Vater und dem Sohn wesenseins oder wesensgleich? Oder ist der Heilige Geist doch nur eine unpversönliche Kraft, von Gott geschaffen und Menschen ergreifend, aber doch von Gott entfernt? Im letzteren Fall wäre Gott schließlich als jenseitige Daseinsmacht verstanden, die das Weltgeschehen und das Treiben der Menschen von außen betrachtet, statt darauf von innen her Einfluß zu nehmen.

Sofern die Dreieinigkeit Gottes geglaubt wird, ist neben und mit der Gottheit des ewigen Christus auch die des Heiligen Geistes zu vertreten.“ (3)So wird nun in dieser neuen Fassung des Nicänischen Glaubensbekenntnisse etwas zurückhaltender als bei Jesus formuliert: „Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten.“

„Wie der ewige Christus aus dem Vater geboren und vom Vater gezeugt ist, so geht der Heilige Geist aus dem Vater hervor. Damit ist die Wesenseinheit der ganzen göttlichen Dreieinigkeit klargestellt. … Das wäre Götzendienst, wenn der Heilige Geist nicht selbst Gott wäre, denn nur Gott gebührt im gottesdienstlichen Lobpreis und in der täglichen Lebenspraxis Anbetung, uneingeschränkte Verehrung und unbedingter Gehorsam in allen Situationen.

Übrigens: Das Nicänum wurde etwas ab 500 nach Christus in der abendländischen Christenheit nochmals um einen kleinen Zusatz erweitert, wonach der Heilige Geist „aus dem Vater und dem Sohn“ (filioque) hervorgeht. Als dieser Zusatz im Jahr 1014 durch päpstlichen Erlaß in das im Gottesdienst benutzte Glaubensbekenntnis eingefügt wurde, kam es zum Protest der orientalischen Kirchen. Sie trennten sich schließlich im Jahr 1054 von der fortan nur noch „römisch-katholischen“ Kirche und bildeten die sog. „Orthodoxen Kirchen“.

Eine Kirchenspaltung, die bis zum heutigen Tag anhält.

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4 Spielerische Überleitung mit einer Karikatur

Teilnehmer erhalten je einen Satz ausgeschnittener Kärtchen aus einer Zeichnung von Martin Fuchs.(4)Sie sollen sie in eine sinnvolle Reihenfolge bringen und dazu ihre Gedanken äußern.

Auf OHP mit Folie werden jeweils die entsprechende Bildfolgen dargelegt und die zugrundliegenden Gedanken geäußert.

„Wichtig: Der Geist entflieht aus dem Käfig nicht ins Ungewisse oder Unbekannte. Er kommt zurück zu den Menschen und der Prozeß beginnt von neuem: Taube fangen – Taube dingfest machen – Taube domestizieren (wollen) – die Taube entweicht und kommt wieder. So wird zum Schluß keine Reihe, sondern ein Kreis liegen.“ (5)

Das erste Bildchen schildert das erste Pfingsten.

5 Pfingsten

5.1 Apg 2, 1-13

  • 5.1.1 Lautes Lesen von und Gespräch

Wie stellen Sie sich das Geschehen vor?

Welche Dinge sind Ihrer Meinung nach wesentlich?

Wo haben Sie Probleme?

  • 5.1.2 Ein paar eigene Bemerkungen dazu:

    Stichworte:

    • Feuer, Brausen: Merkmale traditioneller Gotteserscheinung (vgl. Sinai, apokaloypt. Literatur): Hier zeigt sich Gottes Macht: turbulent geht es zu, stürmisch, umwerfend.
    • Sprachenwunder als neue Einigung der Menschen im Gegensatz zum Turmbau zu Babel
    • Vollmächtige „geistgewirkte“ Verkündigung, z.B. durch Petrus
    • Menschen kommen zum Glauben (V.37: Es ging ihnen durchs Herz!)
    • Wichtig: gott- bzw. Geistgewirkt.
    • M. Luther:
      „Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meine Herrn glauben oder zu ihm kommen kann, sondern der Heilige Geist hat mit durch das Evangelium gerufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten.“ 
    • Bau der ersten Gemeinde (3000 an diesem Tag V.41): Der Heilige Geist stiftet Gemeinschaft, verbindet zu einer Gemeinde. (Vgl. 2. Kor 12,13: Gemeinschaft des Heiligen Geistes!) Der Geist Gottes ist ein „Gemeinschaftsgeist“. Deshalb beinhaltet der 3. Artikel des Glaubensbekenntnisses zurecht Aussagen über die Kirche.

5.2 Besinnliche Gedanken

Plötzlich wurde es Pfingsten.

Unversehends bricht Gottes Geist herein.

Ein Sturm und Brausen zieht auf. Es sieht so aus, als säßen lodernde Feuerzungen auf den Köpfen. Die Jünger geraten plötzlich außer sich, in eine Art Ekstase. Sie sind außer sich auch in einem anderen Sinn: außerhalb ihrer Gruppe, draußen auf der Straße unter freiem Himmel.

Fremde kommen herzu; diese sind entsetzt und doch zugleich angetan von ihrer Art zu reden. Alles wirkt leicht chaotisch, gerät durcheinander, um sich dann neu und wohl geordnet zu finden.

Wie es genau gewesen ist, kann keiner sagen. Selbst in der Erzählung des Lukas gibt es einige Ungereimtheiten.

Wo waren denn nun die Jünger bei ihrem Pfingsterlebnis: im Haus oder draußen auf der Straße?

Redeten die Jünger in „Zungen“, ektstatisch, lallend, aber begeistert – so wie man Zungenreden heute noch in Pfingstgemeinden der ganzen Welt vorfindet? Oder sprachen die Jünger wirklich in vielem „fremden Sprachen“, als eine Art gottgeleitete Simultandolmetscher?

Und die Fremden? Was ließ sie herbeiströmen? Das Brausen vom Himmel? Oder die Kunde von der vielsprachigen Rede dieser ungebildeten Galiläer? Sodaß sie schon damals auf andere Weise das mitbekommen konnten, was heute bei Weltkonferenzen gang und gäbe ist: Man hört einen fremdsprachigen Beitrag über Kopfhörer in der eigenen Sprache?

Wie dem auch sei. Ich denke, die Erzählung des Lukas entspricht der Sache. Wenn der Heilige Geist zu wirken anfängt, bleibt zunächst manches ungereimt, ist vieles nichts mehr normal. Manches gerät durcheinander. Der Heilige Geist ist eben menschlich nicht faßbar oder in geordnete Bahnen zu lenken.

Wo der Geist wirkt, da biegen sich nicht nur Baumkronen, sondern da werden auch Menschen aufgerüttelt. Da schüttelt auch nicht nur etwas an Zweigen und Ästen, sondern bewegt Menschen von Grund auf. Da bläst einem nicht nur etwas um die Nase, sondern da bekommen Menschen plötzlich Rückenwind und trauen sich Dinge zu, von denen sie vorher nicht zu träumen wagten.

Die Jünger damals können ein Lied davon singen. Der Geist Gottes stellt Menschen und Dinge auf den Kopf. Plötzlich passen die alten Schubladen nicht mehr, die Menschen so sorgfältig angefertigt hatten und in die sie so gerne andere stecken. Da geht es wahrhaft „verrückt“ zu.

Solch‘ ein berauschender Geistempfang wie ihn die Jünger am ersten Pfingstfest erlebten, ist nicht die Normalität oder die Alltagswirklichkeit von Christen. Der Wind kommt ja auch nicht stets als Sturm oder Orkan daher. Es gibt ruhigere Zeiten, wo nur ein leises Lüftchen zu spüren ist. Da raschelt es dann nur hin und wieder, ganz leisein den Blättern unseres Lebensbaumes, für andere vielleicht kaum vernehmbar . Gerade auch in dieser feinen Form weht der Heilige Geist im Alltag. Und zwar im Alltag jedes Christen!

Das behauptet jedenfalls Petrus in seiner ersten Pfingstpredigt. Den erstaunten Zuhörern in Jerusalem erklärt er die Herkunft der wunderbaren Geschehnisse:

„Ihr Juden, liebe Männer, laßt meine Worte zu euren Ohren eingehen. Diese, meine Gefährten, sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage; sondern das ist’s, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist: „Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen meinen Geist auf alles Fleisch.; und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und Mägde will ich in jenen Tagen meinen Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.“

Alle – ohne Unterschied, ob alt oder jung, ob sozial gut oder schlecht gestellt, ob Vorgesetzter oder Untergebener, ob Frau oder Mann – alle werden mit Gottes Geist erfüllt!

Alle!

Vielleicht tritt jetzt der eine oder die andere in ein leises Zwiegespräch mit mir ein und fragt besorgt: „Gehöre ich auch dazu?“

„Ja, Du gehörst auch dazu.“

„Aber ich habe doch noch nichts vom Geist gespürt?“

„Wirklich? Es muß nichts Großartiges sein! Hör‘ einfach in dich hinein und überleg‘ doch ‚mal, ob Du nicht Ähnliches erlebt hast: Gab und gibt es nicht in deinen Leben hin und wieder Momente und Erlebnisse, wo du spürtest: Leben ist mehr als nur der gewohnte Trott, mehr als Essen, Arbeiten und Schlafen und Sorgen. Wo du eine Ahnung, einen Traum von wirklichem Leben gespürt hast? Wo es dir einfach himmlisch zumute war?

Etwa beim ersten durch Mark und Bein gehenden Augen-blick der Liebe? Als es „funkte“ zwischen dir und dem Partner oder der Partnerin ?

Und kennst du nicht auch die innere Begeisterung, die einen hin und wieder auf dem Nachhauseweg nach einem rundum gelungenen und befriedigenden Fest oder einem berauschenden Konzert erfaßt?

Oder auch das „runde“ und beglückende Gefühl nach einer klärenden, befreienden Aussprache, der man zunächst am liebsten aus dem Weg gegangen wäre? Als das Wort „Verzeih!“ gesprochen war und ein „O.K.“ folgte?

Ich denke da auch an manchen Sonnenuntergang am Meer, als ich auf Felsklippen saß. Inmitten der bewegten rauschenden Wellen ist da eine wundersame Ruhe zu spüren. Die sich im Wasser spiegelnde Sonne strahlt eine anmutige Wärme aus.

Alles Augenblicke, die man am liebsten festhalten, verlängern und verewigen wollte.

Alles Erlebnisse, die einem im positiven Sinn aus der Fassung bringen.

Immer, wenn Du so außer dich gerätst, ist der Geist Gottes am Werk! Darin ist dann auch etwas vom neuen, vom ewigen Leben, vom Reich Gottes zu spüren, das mit Jesus in die Welt gekommen ist und durch seine Auferstehung bestätigt wurde.“

So kann und will es immer wieder Pfingsten in unserem Alltag werden. (6)

5.3 Vorlesen: H.D. Osenberg, Und sie wurden alle erfüllt vom Heiligen Geist (7)

5.4 Gespräch über die Bedeutung von Pfingsten heute

Anmerkungen:

(1) J. Zink, Die Kraft in allen Dingen und Wesen, Ev. Gemeindeblatt für Württemberg Nr. 21 22.5.1994 S.5 (zurück)

(2) Prof. Dr. S. Zimmer hat in diesem Zusammenhang bei einer Tagung im PTZ Birkach von „Schöpfungsspiritualität“ gesprochen. (zurück)

(3) A. Rössler, Ev. Gemeindeblatt für Württemberg Nr. 43/1989 S.4 (zurück)

(4) Entwurf 2/92 S.27f (zurück)

(5) Entwurf 2/92 S.27f (zurück)

(6) vgl meine Predigt zum Pfingstfest 1992 (zurück)

(7) aus: JS, Das Magazin für junge Soldaten, Hamburg 6/1987, zitiert nach Oberstufe Religion 10, Gottes verborgene Gegenwart S.27 (zurück)